Birgit Gerstorfer
SPÖ Oberösterreich
16 Uhr. Es könne noch kurz dauern, heißt es zunächst. Doch dann kommt Birgit Gerstorfer, seit Juli 2016 oberösterreichische Landesrätin, auf die Minute genau um die Ecke. „Egal wie stressig es ist, ich halte mich an Termine“, sagt sie und wir nehmen in ihrem Büro in der Linzer Altstadt Platz. Die Nachmittagssonne strahlt den ganzen Raum aus. Passt eigentlich gut zur Stimmung. Birgit Gerstorfer lacht viel, vor allem, wenn sie von früheren Jobs und anderen Erinnerungen erzählt. Genauso ernst wird aber auch ihr Blick, wenn sie darüber spricht, worum es ihr in der Politik geht.
Womit qualifizieren Sie sich am meisten für die Stimme der Wähler?
GerstorferIch habe eine sehr lange Berufserfahrung im Bereich der Arbeit mit Menschen, das belegt sich durch 26 Jahre AMS-Geschichte. Ich qualifiziere mich mit sehr starker sozialpolitischer Kompetenz und sehr starker frauenpolitischer Kompetenz, genauso wie mit arbeitsmarktpolitischer Kompetenz. De facto kann man sagen, dass ich vom Krabbelstubenalter bis zur Pflege im hohen Alter die Lebensbedingungen der Menschen kenne. Und Politik kann man immer nur für die Menschen machen. Daher ist das, glaube ich, die beste Voraussetzung für ein Kreuzerl bei der SPÖ und Birgit Gerstorfer.
Wenn Sie zwei zusätzliche Ressorts bekommen würden – welche hätten Sie gerne?
GerstorferIch glaube, der Arbeitsmarkt würde extrem gut zu mir passen. Ich habe während meiner AMS-Geschichte ganz viele Betriebe in Oberösterreich besucht, ich habe viele Menschen kennengelernt, in Beschäftigung und in Arbeitslosigkeit. Ich kenne viele Berufsbilder relativ detailgenau und sehr viele Ausbildungswege. Und der zweite Bereich: Ich finde, wir haben in Oberösterreich eine große Lücke in der Frauenpolitik. Es fehlt hier wirklich an breitem frauenpolitischem Verständnis.
Konnten Sie die Chance, hier etwas zu bewegen, nicht nutzen, als Sie neun Monate lang Frauenlandesrätin gewesen sind?
GerstorferMan könnte noch sehr viel mehr für die oberösterreichischen Frauen tun. Außerdem würde ich gern den Bereich Familienpolitik verantworten, der gehört sehr stark zur Sozialpolitik und zu Kindern und Jugendlichen.
Mit welchem Ihrer Talente können Sie die Wähler am meisten überzeugen?
GerstorferIch glaube, ich bin extrem empathisch. Ich kann mich in mein Gegenüber gut hineinversetzen und zwar völlig unabhängig davon, ob es jemand mit hohem oder niedrigem Bildungsniveau ist, ob jung oder alt. Weil ich einfach selbst in meinem Leben ganz viele verschiedene Lebenssituationen erlebt habe. Und ich glaube, man kann für Menschen nur etwas Gutes tun, wenn man versteht, wie es ihnen geht. Außerdem bin ich mein ganzes Leben eine Verbindende gewesen, also eine Verbinderin von unterschiedlichen Interessen.
Was steht beim Anforderungsprofil einer Politikerin ganz oben?
GerstorferEs geht einfach darum, dass man Politik nicht zum Selbstzweck, sondern zum Fremdzweck – im Sinne der Menschen – macht. Mir geht es wirklich darum, für die Menschen Politik zu machen und nicht für die Partei, für mich oder sonst irgendwen. Denn für mich muss ich es nicht mehr tun. Ich habe das unendliche Glück gehabt, in einer Generation zur Welt gekommen zu sein, wo der Aufstieg noch möglich war. Ich bin die Tochter einer Arbeiterfamilie. Ich will, dass meine Enkelkinder, wenn sie 2100 erleben, in einer gesunden Umwelt leben, in der sie ihr Bestreben, sich etwas zu schaffen, ausleben können. Meine Töchter und Enkelkinder stehen symbolisch für die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher.
Können Sie auch Unternehmer überzeugen, Sie zu wählen?
GerstorferIch glaube, wir haben in der Unternehmenslandschaft eine sehr starke Ungleichverteilung. Wir haben dort vieles zu tun, um sozusagen den Großen nicht noch mehr in den Rachen zu schieben. Ich kann daher damit überzeugen, gerade die Ein-Personen-Unternehmen oder Klein- und Mittelbetriebe regional zu unterstützen, auch regionale Lieferketten gut in Beobachtung zu haben. Wir müssen ganz stark darauf schauen, dass die Globalisierung, die natürlich auch ihre Berechtigung hat, nicht die Existenzgrundlage der oberösterreichischen Unternehmen untergräbt.
Bewerbungsbogen
Birgit Gerstorfer
Was mich am meisten von den anderen Kandidaten unterscheidet_Ich bezeichne mich als soziales Gewissen für Oberösterreich, das finde ich bei den anderen vier Fraktionen nicht in dieser Ausprägung. Das hängt vielleicht ein bisschen mit dem Geschlecht zusammen, aber nicht ausschließlich, sondern auch mit der ideologischen Wertehaltung. Und die zweite DNA, die ich in mir habe, ist die Arbeitsmarktexpertise. Die hat keiner von den Vieren so wie ich.
Mein Antrieb für diesen Job ist_ Ich möchte die Lebenssituation der Menschen verbessern. Und zwar unabhängig vom Geldbörserl, von der Herkunft oder vom Alter. Und ohne dass die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter aufgeht.
Meine 3 Hauptargumente, warum man mir die Stimme geben sollte_
- Ich sorge dafür, dass Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden.
- Ich sorge dafür, dass alle Kinder kostenlose Bildung erhalten, von der Krabbelstube bis zur Universität.
- Ich sorge dafür, dass Menschen, die Pflege brauchen, Pflege erhalten.
Ich bin eine Verbinderin von unterschiedlichen Interessen.
Birgit Gerstorfer
Landesrätin, Spitzenkandidatin SPÖ
Kleiner Auszug aus dem Lebenslauf…
Mein letztes, echtes Bewerbungsgespräch_ Das war im November 1989 beim Arbeitsamt Eferding, damals war das wirklich das Arbeitsamt. Es war ein lustiges Gespräch.
Mein erster Ferialjob_ war spannend, extrem eintönig und nachhaltig prägend. Das war im Babytextilbereich, wo ich vier Wochen lang Stoffteile und Fäden wegschneiden musste. Die Zeit ist überhaupt nicht vergangen. Und ich weiß seither, welche Arbeit Fließbandarbeiter und -arbeiterinnen leisten. Die Jahre danach war ich immer im selben Spengler- und Installateurbetrieb in meinem Heimatort.